«No Landing»
Konjunktur
Die US-Wirtschaft wuchs von Juli bis September aufs Jahr hochgerechnet um 4.9 Prozent und konnte somit die Wachstumsrate zum Vorquartal mehr als verdoppeln. Dies ist der kräftigste Anstieg seit knapp zwei Jahren. Von der unter Ökonomen zu Beginn des Jahres erwarteten Rezession in den USA ist bislang weit und breit nichts zu sehen. Auch unser Konjunkturindikator hatte ab Juli 2022 eine US-Rezession angezeigt. Wie nachfolgende Grafik veranschaulicht, kam es seit 1970 immer zu einer Rezession, wenn der Indikator auf unter minus 5 Punkte fiel.
Seit Anfang September 2023 liegt der Konjunkturindikator sogar wieder über der roten Linie und befindet sich im Wachstumsbereich. Analog den Modellen vieler anderer Marktexperten handelte es sich hierbei um ein Fehlsignal. Mittlerweile wird vermehrt sogar von einem «No Landing» gesprochen. In einem solchen Szenario wird davon ausgegangen, dass das Wirtschaftswachstum trotz der bereits deutlich angehobenen Zinsen weiter boomt und die Inflation über der Zielmarke der US-Notenbank (Fed) von 2 Prozent verharrt. Auch die aktuell starken Konjunkturdaten aus der Industrie und von der Konsumentenseite unterstützen dieses Szenario. Dies könnte jedoch zum Problem für die Fed werden, da sie mit den bereits durchgeführten Zinserhöhungen versucht, ein «Soft Landing» zu erzielen. Bei einer sanften Landung schwächt sich die Wachstumsrate ab (wird aber nicht negativ), mit dem Ziel, die Inflation unter die Zielmarke zu bringen. Sieht die Fed ihren Plan in Gefahr, könnte das weitere Zinsanhebungen zur Folge haben, wodurch die Notenbank wiederum das Risiko eines «Hard Landing» – Rezession – erhöht. Der Marktkonsens geht für die USA weiterhin von einem «Soft Landing» aus. Ganz anders sieht die Situation in der Eurozone aus, wo sich die Konjunkturdaten weiter negativ verändert haben und zum Teil deutlich im Rezessionsbereich liegen. Aufgrund der verschlechterten Datenlage hat die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrer Sitzung vom 26. Oktober 2023 beschlossen, eine Zinspause einzulegen. Viele Marktteilnehmer sind der Meinung, dieser Schritt komme zu spät und eine harte Landung der europäischen Wirtschaft Anfang 2024 sei nicht mehr vermeidbar.
Aktien
Sollte es zu einem «No Landing» kommen, dürfte dies die Aktienmärkte belasten, da in diesem Fall mit weiteren Zinserhöhungen gerechnet werden muss. Denn die höheren Zinsen verschlechtern die Finanzierungskonditionen für Unternehmen, was sich negativ auf deren Bilanzen auswirkt. Erste Unternehmen, wie z.B. Alphabet, brachten bereits enttäuschende Quartalszahlen. Die Aktienmärkte setzten darauf ihre Korrektur fort, welche bereits zuvor durch die Eskalation im Nahen Osten ausgelöst wurde. Aktuell befindet sich die die Neue Bank Ampel noch auf «leicht bullisch», jedoch könnte sie demnächst auf neutral umschalten, sollte die Korrektur anhalten oder gar akzentuieren.
Obligationen
Die Renditen an den Obligationenmärkten haben ihren Aufwärtstrend fortgesetzt. Am 23. Oktober 2023 stieg der Zins für die 10-jährigen USStaatsanleihen knapp über 5 Prozent und notierte so hoch wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Aktuell liegt die Rendite wieder knapp darunter. Dazu geführt haben die aufkommenden Sorgen des zuvor beschriebenen «No Landing»-Szenarios, wodurch die Inflationsbekämpfung nicht so schnell voranschreitet wie von der Fed gewünscht. Die Marktteilnehmer befürchten nun weitere Zinssteigerungen, was zu einem Anstieg der die Korrelation zwischen Aktien und Obligationen geführt hat. Das heisst, Anleihen bieten weniger Schutz, wenn Aktien korrigieren, da diese auch an Wert verlieren. Somit ist der Diversifikationseffekt im Portfolio geringer, da Obligationen das Risiko zusätzlich erhöhen, anstatt dieses zu mindern. Die Grafik auf der nächsten Seite verdeutlicht diese Problematik.
In den länger zurückliegenden Aktien-Korrekturphasen konnten Staatsanleihen immer an Wert zulegen und dadurch das Risiko im Portfoliokontext reduzieren, da sie Verluste bei den Aktien abfedern konnten. Aktuell funktioniert dieser Effekt nicht, da sowohl Aktien also auch Anleihen an Wert verlieren. Historisch gesehen haben Anleihen in der Höhe (-18.5 Prozent) sowie der Dauer (seit knapp 3 Jahre) den stärksten Rückschlag in ihrer Geschichte erlebt. Dies führte zu einer enttäuschenden Performance bei gemischten Mandaten mit höherer Obligationenquote seit 2022. Erst wenn sich die Zinssituation beruhigt, können Anleihen wieder zulegen.
Währungen
Im letzten Monat kam es beim EUR/USD zu einem Währungssignal. Unser Trendindikator rät neu, die USD-Positionen in den EUR-Portfolios nicht mehr abzusichern. Folglich haben wir die Währungsabsicherung in den EUR-Mandaten aufgelöst. Das Signal deckt sich mit der aktuell verschärften geopolitischen Situation, in welcher vor allem Währungen wie der US-Dollar und der Schweizer Franken ihrem Safe-Haven-Status gerecht werden.
Alternative Anlagen
Die Immobilienkrise in China spitzt sich immer weiter zu. Für den hochverschuldeten chinesischen Immobilienkonzern Country Garden endete am Dienstag, 17. Oktober 2023 die Nachfrist für eine Zinszahlung einer Dollar-Anleihe über USD 15 Mio. Das Unternehmen teilte mit, dass es nicht in der Lage ist, die Auslandverbindlichkeiten zu bedienen. Laut dem internationalen Kreditkomitee (Credit Derivatives Determinations Committee) ist es somit zu einem Zahlungsausfall gekommen. Die gesamten Unternehmensschulden summieren sich auf rund USD 200 Mrd. wovon USD 17 Mrd. Auslandsschulden ausmachen. Sollte Country Garden tatsächlich in die Knie gehen, könnte dies weitreichende Folgen für die gesamte Branche in China haben. Der Immobilienmarkt erzielt ca. 20 Prozent des chinesischen BIP. Eine Ausweitung der Krise hätte somit verheerende Folgen für die chinesische Wirtschaft. Die Wirtschaftsleistung in den Industrienationen wäre hiervon jedoch kaum tangiert, da das Gros der Schulden im Inland liegt und nicht wie in der Finanzkrise 2008 verbrieft und weltweit als sichere
Anleihen verkauft wurden.